CAR T-Zelltherapie
Im Juni 2024 haben wir in der Kinderonkologie in Münster die weltweit erste Patientin mit fortgeschrittener Tumorerkrankung in einer klinischen Studie mit einer hier neu entwickelten Immuntherapie behandelt. Es handelt sich um eine Variante der sogenannten CAR T-Zell-Therapie, die wir gegen Leukämie schon seit einigen Jahren erfolgreich einsetzen. Die folgende Geschichte erklärt aus Sicht einer CAR T-Zelle, wie diese Behandlung funktioniert.
Dazu sollte man Folgendes wissen: CAR T-Zellen werden aus Abwehrzellen, sogenannten T-Zellen, des eigenen Körpers der Patienten hergestellt. Um Krebszellen als gefährlich zu erkennen, werden sie im Labor mit einer „Antenne“ ausgestattet, die ihre Aktivität gezielt gegen die Tumorzellen richtet. Bei Leukämiezellen heißt das erkannte Merkmal CD19. Das CAR T-Zell-Produkt muss für jeden Patienten individuell hergestellt werden. Dafür stehen uns mit Unterstützung der Kinderkrebshilfe Münster seit 2015 zwei Spezialgeräte zur Verfügung, CliniMACS Prodigy (Prodigy ist der englische Begriff für „Wunderkind“). Nach einer milden Chemotherapie, die den Körper für eine optimale Wirkung der CAR T-Zellen vorbereitet, erfolgt die Infusion des Produkts in die Blutbahn. Das dauert nur 5 – 10 Minuten. Im Körper erkennen die CAR T-Zellen Leukämie- oder Tumorzellen über ihre Antennen, werden dadurch aktiviert, vermehren sich stark und lösen über Botenstoffe eine umfassende Immunreaktion aus. Unter anderem werden Fresszellen (Makrophagen) angelockt, die die Überreste der Tumorzellen beseitigen und über Gefahrensignale zur Aufrechterhaltung der Abwehrreaktion beitragen. In dieser Zeit bekommen die Kinder meist Fieber. Die gegen Leukämie gerichteten CAR T-Zellen erkennen allerdings auch eine Art gesunder Blutzellen, die sogenannten B-Zellen, die für die Herstellung von Antikörpern gegen Viren verantwortlich sind. Nach der CAR T-Zell-Therapie fehlen B-Zellen manchmal viele Jahre oder sogar lebenslang, so dass wir den Kindern Antikörper ersetzen müssen, um den Schutz gegen Virusinfekte nicht zu gefährden.
CAR T-Zellen können Tumorzellen auch außerhalb des Blutstroms finden, zum Beispiel im Gehirn, das in einem durch eine Schranke geschützten Raum liegt. Eine Abwehrreaktion in diesem Raum kann die Kinder vorübergehend sehr müde machen oder Kopfschmerzen verursachen. Um die Nebenwirkungen der CAR T-Zell-Therapie zu mildern, gibt es bereits einige gut wirksame Medikamente. Sind alle Zellen im Körper, die über die CAR-Antenne erkannt werden können, beseitigt, kommt das Geschehen allmählich zur Ruhe. Einzelne CAR T-Zellen bleiben jedoch im Körper übrig, die später erneut aktiv werden und verhindern können, dass die Krankheit zurückkommt. Dazu ziehen sie sich in die sogenannten Lymphknoten zurück, die auch für die Immunabwehr gegen Infektionskrankheiten verantwortlich sind.
Leider funktioniert die CAR T-Zell-Therapie noch nicht bei allen an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen. Aber die hohe Wirksamkeit bei vielen Kindern mit Leukämie gibt uns Anlass zur Hoffnung, diese Art der Therapie erfolgreich weiterentwickeln zu können.
Lesen Sie hier die Geschichte CARlotta und die wundersame Rettungsaktion
Prof. Dr. Claudia Rössig